Seit Oktober ist der Bibelgarten offiziell ein außerschulischer Lernort der Landeskirche. https://www.kirche-schule.de/themen/lernorte/lernorte_in_den_regionen/goettingen Über die Texttafeln und Hördateien können Gruppen selbstständig oder geführt die Pflanzen des Gartens entdecken und so einen ganz eigenen Zugang zu den namensgebenden Figuren aus der Bibel oder den Heiligenlegenden finden. Dabei kann vielleicht auch ein Funke der Faszination überspringen dafür, wie genau das volkstümliche Wissen um die Merkmale der Pflanzen war und wie leidenschaftlich die Frömmigkeit, die eben diese Merkmale ganz selbstverständlich mit einem religiösen Kontext versah. Ein wenig Wissen aus der Pflanzenökologie kann als "Beifang" auch noch mitgenommen werden. Das Angebot richtet sich an alle Altersklassen. Bei Interesse an einer Gartenführung wenden Sie sich bitte an Anette Gräff: Anette-Graeff@web.de
Das BICK-Projekt Der Bibelgarten nimmt inzwischen einen recht großen Teil des Grundstücks der Kirchengemeinde ein. Daher ist er seit Anfang an Teil des BICK-Projektes („Biodiversitätscheck in Kirchengemeinden") des Landeskirche gewesen, bei dem wir im vergangenen Herbst bereits Stauden- und Hochbeete angelegt und Nistkästen für Vögel und Fledermäuse angebracht hatten. Nun hat sich Stefan Althoff im September im Rahmen des BICK-Projektes zum Schöpfungsbotschafter ausbilden lassen - hier übernehmen wir nun einen Artikel dazu von der Internetseite von St.Marien: https://marienkirche-goettingen.wir-e.de/bick
Vom Sein und Lassen auf eine Gemeindewiese
Um das Thema Natur- und Artenschutz dauerhaft in unserer Gemeinde zu verankern, hat Stefan Althoff sich nun von der Landeskirche zum Schöpfungsbotschafter ausbilden lassen.
Die vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) und dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) geförderte Ausbildung befähigt Herrn Althoff weitere Maßnahmen zur Stärkung der biologischen Vielfalt in der Gemeinde zu planen und umzusetzen und in der Gemeinde durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit für Maßnahmen zur Bewahrung der Schöpfung zu werben.
Welche verhängnisvollen Folgen der Klimawandel für unsere Schöpfung hat, konnte jeder und jede diesen Sommer selber beobachten. Durch intensive Landwirtschaft und Flächenversiegelung durch Bebauung und Verkehr gibt es seit Jahrezehnten bereits einen massiven Rückgang der heimischen Vögel- und Insektenarten, der sich durch den Klimawandel jetzt noch beschleunigt.
Als Kirchengemeinde haben wir u.a. durch die Gestaltung unserer Grünflächen die Möglichkeit, einen Beitrag gegen das Artensterben zu leisten.
Dabei ist es elementar, unsere Sicht- und Denkweisen auf die uns anvertrauten Flächen neu zu justieren. Vielleicht war es uns bisher wichtig, dass die Wiese vor dem Gemeindehaus „ordentlich“ aussah, nicht „ungepflegt“ und uns aber auch nicht zu viel Arbeit bereitete.
In der zornigen Vehemenz, mit der wir uns gegen Giersch, Hahnenfuss und Quecke in unseren Beeten wehren, steckt vielleicht noch eine Spur der Verzweiflung unserer bäuerlichen Vorfahren, die dem Boden ihren Lebensunterhalt abringen mussten.
Die jede Konkurrenz, die sich neben ihren Weizen-, Kartoffeln oder sonstigen Kulturpflanzen ansiedelte, mit Stumpf und Stiel ausrissen, um eine Ernte einfahren zu können, die sie am Leben erhielt. Etwas roden, etwas urbar machen , der Scholle etwas abringen – das Vokabular der Landwirtschaft kann einen verzweifelten Kampf gegen die Vegetation widerspiegeln, die sich dort ohne menschliches Tun fände.
Und wir heute mit unseren städtischen Gärten?
Eine Wiese ist per se in Mitteleuropa fast immer etwas Menschengemachtes. Eigentlich wüchse hinter dem Gemeindehaus vermutlich ein Buchenwald, vielleicht, weil so dicht am Leinekanal, eine feuchtere Ausprägung mit einigen Eschen, vielleicht stellten sich auch ein paar Erlen ein. Schon die Existenz der Wiese ist also ein Hinweis auf die Tätigkeit des Menschen, der das Hochkommen von Baumjungswuchs durch das Mähen immer wieder verhindert.
Und dann stehen wir vor unserer Wiese und haben offensichtlich das Gefühl, dass wir immer noch einen Kampf gegen die Arten führen müssen, die wir dort nicht ausgesät haben mit unserer Rasenmischung, sondern deren Samen irgendwann durch die Luft zu unserer Wiese verbracht wurden.
Wir kämpfen gegen die Kräuter, die neben den Gräsern bestandsbildend in einer Wiese wären. Gegen die Gräser, die zu hoch gewachsen sind. Offensichtlich ist der naturnahe Garten, die artenreiche Wiese etwas, das viele von uns unwillkürlich mit Verwahrlosung und Kontrollverlust assoziieren.
Davon müssen wir uns frei machen. Ganz bewusst und im Gefühl der Verantwortung, die wir tragen, wenn wir für diese Flächen verantwortlich sind.
Wir können und müssen mehr leisten als kurzgeschnittenen Rasen und darauf Kirschlorbeer und andere exotische Ziergehölze, auf denen unsere heimischen Insekten verhungern.
„Und Gott sprach: Sehet da, ich habe Euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu Eurer Speise. Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben. Und so geschah es. “ 1.Mose 2, 39-30.
Das ist der Auftrag, dem wir gerecht werden müssen und die Ernennung eines Schöpfungsbotschafters ist ein weiterer Schritt auf dem Weg dorthin.
Wir würden uns freuen, wenn Sie diese Überlegungen vielleicht im Hinterkopf haben, wenn Sie das nächste Mal auf unsere hochwüchsigen Wiesenflächen vor dem Gemeindehaus (und an der Groner-Tor-Straße) schauen. Vielleicht haben Sie sogar Lust, bei der nächsten Pflanzaktion dabei zu sein? Wir würden uns freuen.
Hätten Sie vielleicht Lust, unsere Arbeit im Garten im Herbst zu unterstützen? Das leidige Gießen liegt für dieses Jahr wohl schon hinter uns, aber im Oktober werden Pflanz- und Rückschneidearbeiten anstehen. Jegliche Form von Unterstützung ist mehr als willkommen. Gerne auch sporadisch. Kontakt: Anette-Graeff@web.de
Fast alle Pflanzen im Garten sind dieses Jahr sehr früh mit Blüte und Frucht gewesen und haben sich dann in eine trostlose strohige Masse verwandelt. Nur die Ackerwinde grünt und gedeiht und windet sich ihrem Namen gemäß um ihre vertrockneten Nachbarn. Eigentlich könnte das die Gärtnerinnen des Bibelgartens erfreuen, ist die Ackerwinde doch eine Pflanze, um die eine schöne Marienlegende rankt. Aber einerseits bilden die Ackerwinden im Garten dieses Jahr trotz ihres üppigen Wuchses kaum Blüten aus und es sind die Blüten, auf die sich die Legende bezieht. Andererseits ist es auch nicht so leicht, diese Art, die als Schlingpflanze ihre Nachbarn ruckzuck einschnürt und überwuchert, viel Sympathie entgegenzubringen. Vielleicht hätten wir sie doch lieber in ein eigenes Beet eingesät...
Der Klimawandel ist diesem Sommer im Garten direkt greifbar geworden. Späte Nachtfröste, Extremwetterereignisse wie die Hitzewellen, ausbleibende Niederschläge - all das sind nicht mehr Nachrichten von weit weg, sondern Realität vor Ort. Die Rasenfläche ist schon lange gelb und von der Hitze hoffnungslos verbrannt. Beim Gießen haben wir uns auf die Beete beschränkt. Auch das Aufstellen einer weiteren Regentonne hat unseren Verbrauch von Trinkwasser leider nicht deutlich senken können - da es so wenig geregnet hat, haben wir kaum Regenwasser auffangen können und das wenige war schnell verbraucht. Wie wir den Wasserbedarf des Gartens senken können, ist uns noch nicht klar. Neben den Bibelpflanzenarten wächst viel "Begleitgrün" bei uns, überwiegend heimische Stauden und Sträucher, oft danach ausgewählt, ob sie den Insekten und Vögeln Nahrungsgrundlage sein können. Sollten wir diese Pflanzen durch Arten mit geringerem Wasserbedarf ersetzen? Für die klassischen heimischen Trockenrasenarten fehlt unserem Garten eigentlich der Kalkboden. Wenn wir trockenheitsresistente Arten aus Steppen- und Savannenregionen oder Hartlaubgehölze pflanzen, entziehen wir den heimischen Insekten und Vögeln die Nahrungsgrundlage. Und wer weiß, ob z.B. der Olivenbaum, dem die Trockenheit bislang wenig ausgemacht hat, die Nachtfröste des nächsten Frühjahrs überleben wird? Vielleicht hilft eine stockwerksartige Bepflanzung, also schattengebende Sträucher über den Stauden, die trockenen Sommer zu überstehen?
Was kann man im Januar von einem Garten berichten?
Vielleicht feststellen, dass die Blattknospen an den Zweigen der Bäume unter ihren derben Knospenschuppen längst angelegt und jetzt schon sichtbares Hoffnungszeichen sind, dass es ein Frühjahr mit grünen Baumkronen geben wird.
Und diese unscheinbaren Garanten beflügeln Gärtnerin und Gärtner, die jetzt Pläne für das Ausäen und Pflanzen entwickeln können.
Im Bibelpflanzengarten sind einige neue Beete entstanden und während es letzten Sommer schien, als hätten wir alle Arten schon angepflanzt, die in den Garten passten, sind uns en passant doch noch neue Bewohner in den Sinn gekommen.
Die Linse gehört in eine Geschichte des Alten Testaments und zwar in die schwierige Beziehung zwischen Jakob, dem Erzvater Israels und seinem älteren Bruder Esau. Damit passt sie wunderbar zur Himmelsleiter, die sich schon vorletztes Jahr im Garten eingefunden hat und auf Jakobs Traum verweist, in dem er auf einer Leiter Engel in den Himmel hinauf- und hinabsteige sah. Für ein Linsengericht wiederum bringt Jakob Esau dazu, sein Erstgeburtsrecht an ihn, den jüngeren Bruder abzutreten.
Neben der Linse, hoffen wir, wird auch der Rohrkolben (Typha spec.)in einer alten Zinkwanne in den Garten einziehen.
Er begegnet uns im Alten Testament bei der Rettung Moses vor dem Gebot des Pharaos, die neugeborenen jüdischen Söhne zu töten. Moses Mutter machte ein Kästchen aus Rohr und verklebte es mit Erzharz und Pech, um Mose darin im Nil auszusetzen.
Hoffentlich reichen dem Rohrkolben die begrenzten Platzverhältnisse, ist er es doch eigentlich gewohnt, riesige Bestände an Seen und langsam fließenden Gewässern zu bilden – so vielleicht auch vor vielen Jahren einmal am Leinekanal einen Steinwurf vom Bibelgarten entfernt.
Letzten Herbst schon ist die Weinrose (Rosa rubiginosa) gepflanzt worden. Ihr Laub duftet auffallend und ist so mit einer Marienlegende verknüpft worden. Auf der Flucht vor Herodes nach Ägypten hing Maria die Windeln auf die Rose und zum Dank für ihre demütigen Dienste schenkte Maria ihr zum Abschied den Duft der Blätter. Der zeichnet sie nun vor allen anderen Rosen aus, deren Duft sich auf die Blüten beschränkt.
Überhaupt haben wir Maria ein kleines Beet gewidmet, denn um niemand anderen ranken sich so viele Legenden, in denen Pflanzen eine wichtige Rolle spielen. Über Lilien und Rosen hinaus ist durch den Volksmund eine ganze marianische Botanik entstanden, da er allein im deutschen Sprachraum 200 Pflanzennamen kannte, die sich auf Maria bezogen, z.B. die Bezeichnungen Marienmantel, Mutterkraut oder Marienblume für den Frauenmantel (Alchemilla vulgaris).
Auch mit der unscheinbaren Ackerwinde (Convolvolus arvensis) ist eine Marienlegende verknüpft, die sich auf die roten Streifen bezieht, die oft an den Kronblättern zu finden sind: sie sind die Spuren des Weines, den Maria einst zum Dank einem hilfreichen Fuhrmann in einem Ackerwinden-Blütenkelch einschenkte.
Und so ist die Ackerwinde heute am Zaun des Bibelgartens rankend eine Referenz an die Namenspatronin unserer Kirche.